Freitag, 09.08.2013 – um 03:30 Uhr klingelt der Wecker. Nach ca. 4 Stunden Schlaf möchte man meinen, warum jetzt aufstehen, das Weiterschlafen wäre doch eine sehr angenehmere und nachhaltigere Möglichkeit, um ausgeruht und mit besten Voraussetzungen im Leben etwas mitgestalten zu können. Doch bei mir ist es heute anders.
Seit dem Länderspiel unserer Herren-Nationalmannschaft in Göttingen bewegte es mich, an einem Turnier mit Gastgeber Frankreich, Griechenland und Kroatien teilzunehmen. Andrea hatte von diesem Turnier erzählt und gefragt, wer denn noch hinfahren würde. Zu diesem Zeitpunkt fand sich jedoch niemand, der dort sein würde.
Was hatte ich nicht schon alles über Straßburg gehört, über die Schönheit der Stadt, die besondere Bedeutung in der französisch-deutschen Verbundenheit und ihrer Institutionen. Es bewegte mich seit diesem Zeitpunkt, als Andrea davon erzählte, zunehmend mehr. Und dann, als ich Andrea anschrieb und fragte, ob sie für mich entsprechend 1 Ticket besorgen könnte und auch die Hotelsituation geklärt war, war dieses Empfinden auf eine besondere Reise nicht mehr zu unterdrücken.
Andrea und ich treffen uns am Hauptbahnhof. Zum 2. Mal in meinem Leben werde ich mit dem französischen Hochgeschwindigkeitszug, dem TGV, fahren. Sachlich auffällig ist schon der Zug an sich – er hat Doppelstock-Waggons. Unsere Plätze befinden sich im Untergeschoß. Als der Zug losfährt, was man kaum mitbekommt, so vorsichtig, wie es geschieht, befinde ich mich schon mitten in dieser französisch-deutschen lebendigen Geschichte, als der Zugbegleiter – er heißt Luc – die Fahrgäste sowohl auf deutsch, französisch und englisch begrüßt und die Informationen bekanntgibt. Es bewegt mich, dies mit den gleichen Ohren und Augen wahrzunehmen – sei es als geborener Deutscher oder Franzose, die auch in diesem Zug mitreisen. Die Reise verläuft sehr ruhig und entspannt und gegen 10:15 Uhr kommen wir in Straßburg an.
Als ich aus dem Bahnhofsgebäude herauskomme und den freien Platz, der zwischen dem Bahnhof und unserem Hotel liegt, sehe, und die Gebäude auf der anderen Seite betrachte, fühlt es sich für mich an, als wäre ich ein Weltbürger, der in Deutschland geboren wurde und einen deutschen Ausweis hat, und in Frankreich kann ich mich bewegen, als wäre ich ein Mensch, der zu den Menschen, die in Frankreich leben, ganz selbstverständlich dazugehört – unabhängig von der Herkunft. Andrea, die mit ihren sehr guten Französischkenntnissen eine großartige Reisebegleiterin ist und mir sehr viel von den sachlichen Vorgängen überall abnimmt, bespricht mit den Menschen an der Hotelrezeption unseren Check-In, bei dem sich herausstellt, daß wir unsere Zimmer erst gegen 12:30 Uhr beziehen können. So war es an uns, zu entscheiden, was wir mit den 2 Stunden bis dahin machen. Wir können unser Gepäck in einem Aufbewahrungsraum abstellen, nachdem wir entschieden, schon einen ersten Eindruck von der Stadt haben zu wollen.
Als wir das Hotel verlassen und links in die nächste Straße einbiegen, die uns in die Altstadt führt, ist schon etwas vom Leben in Frankreich zu spüren auf der Rue du Maire Kuss durch diverse kleine Straßenlokale, wo die Tische auch direkt am Straßenrand zu finden sind, wo es aber niemanden stört – die Menschen gehen ganz natürlich miteinander um, diese Höflichkeit untereinander ist eine richtige Wohltat. Und selbst an den Fußgängerübergängen, die dort überall durch Zebrastreifen zu erkennen sind, wo es auch Ampeln gibt, ist dies zu erkennen. Während sich machen darüber aufregen würden, wie man bei rot über eine Ampel gehen kann, es sei doch nicht so vorbildlich und gefährlich, was sich auch bei mir so eingeprägt hatte, ist die Wahrnehmung verändert, denn die Menschen schauen immer aufeinander, als wollten sie sich schützen und schätzen, so daß bei einer roten Fußgängerampel auch manche Autos stehenbleiben, weil sie den Menschen, der schnell weiter will, den Vortritt lassen. Über die Fossé Du Faux Rempart geht es weiter in die Innenstadt hinein. An der Eglises St. Pierre-Le-Vieux vorbei gehen wir stadteinwärts die Rue du 22 Novembre entlang. Nachdem wir noch kein richtiges Frühstück gemacht haben, kehren wir in eines der Bistros ein, um uns etwas zu stärken. Es überkommt mich sogar so weit, daß ich nach eine r Empfehlung von Andrea einen Latte Macchiato mit Karamel probiere. Mit 3 Tütchen Zucker schaffe ich es auch, ihn auszutrinken, doch ich bin froh darüber, auch noch etwas anderes trinken zu können. Nachdem Katja aus Bayreuth mir die Empfehlung gab, man sollte sich auch mal die Galerie Lafayette ansehen, die unmittelbar gegenüber des Bistros liegt, wollte ich dies natürlich auch gerne tun. So betreten wir dieses Gebäude, das sich bereits im Erdgeschoß in seiner Exklusivität zeigt. Auch hier ist wieder diese harmonische Verbundenheit zu erkennen – die Informationen sind auch hier in französisch, englisch und deutsch zu lesen. Nachdem wir dort ein Geschenk gekauft haben, geht es weiter bis zum Place Kleber. Dort wird auch in einem Buchladen etwas gestöbert, woraufhin 2 Bücher gekauft werden. Zwischenzeitlich ist mir aufgefallen, daß ich meine Sonnenbrille daheim vergessen habe. So können wir auf dem Rückweg zum Hotel an einem Geschäft eine günstige Sonnenbrille bekommen. Im Hotel wieder angekommen, entscheiden wir uns, eine Ruhezeit einzulegen, da wir ja um 16 Uhr schon an der Halle sein wollen, damit wir genug Zeit haben, uns mit Micky und Henry zu treffen und unsere Situation wegen der Trommeln zu klären.

Als wir uns auf den Weg gemacht haben, fahren wir mit der Tram B Richtung Wacken, wo wir leicht bis nahe zur Halle kommen, die hier Rhinus Sport genannt wird, und wo in der 1. französischen Liga Strasbourg IG spielt, dem EuroLeague-Gegner von Brose Baskets Bamberg in der neuen Saison. Zwischenzeitlich hat Andrea erfahren, daß die Halle erst um 17 Uhr öffnet, so daß wir natürlich genug Zeit haben, um uns dort zu orientieren und auf Micky und Henry zu warten, die direkt zur Halle kommen wollen. Schon zu diesem Zeitpunkt, als sich noch wenige Fans dort aufhalten, werden wir freundlich beachtet und auch angesprochen, weil sie es toll fanden, daß auch deutsche Fans dabei sind. Mit meinen Schals und der Trommel, die ja mit einem Deutschland-Schal ausgestattet ist, ist es für mich wie ein Botschafter für Deutschland und FRF, der sich gemeinsam auf tolle Spiele freut und ein Fest im Basketball feiern will. Ein wenig fängt mein Herz an zu schmerzen, weil ich der französischen Sprache nicht ganz so gewachsen bin, doch es legt sich schnell, weil es erlebbar ist, wie wir miteinander etwas gestalten können. In mir kommt das Empfinden hoch, was es bedeuten soll, wenn man von Frankreich spricht als „Le Grande Nation“. Micky und Henry kommen zusammen mit Thomas aus Bonn an. So sind wir irgendwie so etwas wie die 3 Musketiere aufgrund unserer Vereinsverbundenheit aus Bonn, Berlin und München. Ich halte Ausschau nach Christoph aus Würzburg, de von dem ich erfahren hatte, daß er auch kommen wollte, doch leider sehe ich ihn das ganze Wochenende nicht. Als wir in die Halle kommen, was sich als total unproblematsich erweist, gehen wir erst einmal zum Block in dem wir Plätze hatten für den Abend, aber getrennt voneinander. Wir überlegen, wie wir uns beim Spiel platzieren können, um zumindest mit unseren Trommeln gemeinsam platziert zu sein. Ein sehr freundlicher Ordner, der auch Deutsch spricht, ist dabei mit Henry auch im regen Austausch, so daß es uns zum Spiel unserer Mannschaft möglich ist, in der 1. Reihe hinter dem Korb uns platzieren zu können. Was die Schilderung des Spiels angeht, so kann dies sehr gut in Henrys Blog nachgelesen werden. Die französischen Medien haben uns auch wahrgenommen und kommen das ein und andere Mal mit Ihrer Kamera bei uns vorbei. Ich fühle mich geehrt ob dieser Aufmerksamkeit. Nachdem wir dann abends im Hotel noch einen kleinen Nachttrunk an der Hotelbar genommen haben und unsere Planungen für den folgenden Tag abgeschlossen haben, ist es Zeit, ins Reich der Träume zu versinken.
Samstag, 10.08.2013 – Um 9 Uhr treffen wir uns zum Frühstück, daß so einige Überraschungen mit sich bringt. Doch es entmutigt uns nicht und wir genießen die Dinge, die uns gegeben sind. Das Wetter ist schön sonnig und warm und lädt zu einer ausgiebigen Stadtbesichtigung ein, die wir zu Fuß machen wollen. Um 11 Uhr geht es dann los. Dem von gestern bekannten Weg folgen wir wieder Richtung Stadtmitte. Wir sind sehr flexibel in unserer Route durch die Stadt und sehen kleine und große Gebäude, kleine und große Straßen und auch Plätze.

Dabei kommen wir auch zur Cathédrale Notré Dame, dem bekannten Dom von Straßburg, welche wir uns natürlich auch von innen ansehen. Ganz in der Nähe ist auch der Palais Rohan, der auf der einen Seite direkt neben dem Straßburger Fluß Ill liegt, auf dem auch eine Fahrt mit Dampfern gemacht werden kann, die als Stadtführung durchgeführt werden. Bis zum Place République führt uns unser Stadtrundgang, wo auch der Palais du Rhin liegt. Die vielen Eindrücke, die ich sammel, lassen mich empfinden, warum in Verbindung mit Frankreich oft vom „La Vie En Rouge“ gesprochen wird – ich hoffe, die französische Bezeichnung habe ich richtig geschrieben. Wir genießen es so sehr, daß wir überhaupt keinen Hunger verspüren und bis auf eine Kugel Eis, die vor einer Konfiserie in einer Gasse verkauft wird, nichts weiter essen. Bei all den Eindrücken möchte ich am liebsten die Zeit stehen bleiben lassen und es ohne Grenzen genießen, was ich wahrnehme, doch die Zeit geht leider weiter, denn wir wollen ja rechtzeitig auch wieder beim Basketball in der Halle sein, so daß wir uns beizeiten auf den Weg zurück zum Hotel machen, um uns für die Spiele noch fertig machen zu können. Zu unserem Spiel hat Henry auch wieder einen Blog geschrieben, so daß ich auf das Spiel gegen Griechenland nicht weiter eingehe. Den für mich absolut emotionalsten Moment an diesem Wochenende erlebe ich dennoch anschließend bei der Partie der Franzosen gegen Kroatien. Micky und Henry und ich kommen gerade rechtzeitig wieder zurück in die Halle, als die Musik zur französischen Nationalhymne erklingt. Doch was ist das: Nach der 1. Zeile verstummt die Musik und ich wollte schon meinen, gerade bei einem so starken Ausdruck von Nationalem Empfinden und Verbundenheit muß das passieren, wie traurig. Doch ich werde überwältigt von dem, was dann geschieht, denn alle Französen, die in der Halle sind, und das waren bestimmt 5. Menschen, singen a capella ihre Nationalhymne bis zum Ende weiter. Eine ausdrücksstärkere Verbundenheit habe ich bisher nur ganz ganz selten irgendwo erleben dürfen. Ein Empfinden von Herzlichkeit, Freude, Friede, Stolz, Respekt, Mut, Dankbarkeit und Gemeinsamkeit im harmonischen Gleichklang durchströmt mich und läßt mich wie daheim empfinden. Zum Tagesabschluß sind wir noch einmal am nun bunt beleuchteten Dom und genießen dieses besondere Flair dort bei einem guten Glas Wein. Schon jetzt empfinde ich dieses gewisse Stechen wegen des Abschieds, der uns morgen bevorsteht, doch es ist ein schönes Stechen für mich, weil ich es genießen darf, so etwas erleben zu dürfen.
Sonntag, 11.08.2013 – Wir haben beschlossen, heute nicht mehr im Hotel zu frühstücken, sondern uns woanders entspechend etwas zu stärken. Wir halten unser Frühstück klein, denn wir hatten entschieden, ein schönes typisch französisches Mittagesssen zu machen. Bevor wir unsere geplante Bootstour machen, die uns noch einige andere Sehenswürdigkeiten sehen läßt, gehen wir noch zur Ponts Couverts und Barrage Vauban. Auch heute haben wir sehr schönes Wetter und es läßt uns diese Zeit wie die anderen Tage auch unter freiem Himmel entsprechend genießen. Bevor unser Schiff uns auf die Reise mitnimmt, trinken wir noch etwas, was mich tatsächlich an Berlin erinnert, wo auch Bier entweder mit Waldmeister oder Himbeersirup getrunken wird und wo man es Berliner Weiße mit Schuß nennt. In Straßburg nennt man ein solches Bier mit Himbeersirup Tango, was mir den Eindruck vermittelt, daß Frankreich ein Land mit seiner Vielseitigkeit auch Kultur näherbringt – auch kulinarisch. Die Bootsfahrt ist eine schöne Fahrt, denn man sieht und hört auch noch einige andere Orte, die einem auch wieder in mehreren Sprachen erläutert werden. Dies geschieht über Kopfhörer, die jeder Fahrgast an seinem Platz hat und wo jeder individuell seine Sprache auswählen kann. Unser Mittagessen nehmen wir direkt an der Ill ein, wo es eine breite Treppe direkt vom Ufer auf eine Promenade führt, wo wir direkt am Rand einen Tisch haben können. Nachdem ich zur Vorspeise, dem Flammkuchen noch einen leckeren Rotwein getrunken habe, ist es dann zum Hauptgang, Sauerkraut mit verschiedenem Fleisch (u. a. Kasseler) ein sehr leckerer weißer Riesling. Zwischendurch legen Menschen mit kleinen motorisierten Booten an der Treppe an, um auch eine Pause zum Essen und Trinken einzulegen. Nahezu fast 2 Stunden verbringen wir diese entspannte Zeit bei unserem Mittagessen, bevor uns die Zugabfahrt fast schon gnadenlos dazu zwingt, aufzubrechen, um unser Gepäck und die Trommel zu holen und unseren Zug Richtung München zu erreichen. Im Bahnhof ertappe ich mich dabei, daß ich schon wieder mein logisches Denken wie in Deutschland einschalte, weil ich keine Gleisangabe lesen kann, wo unser Zug abfährt. Andrea hat von einem Beamten des SNCF erfahren, daß dies erst 30 Minuten vor der Abfahrt angezeigt wird. Das beruhigt mich wieder. Auch diesmal haben wir wieder plätze in der unteren Etage im Zug. Eine wieder ruhige Rückreise führt uns zurück nach München. Als wir vor Ulm sind und ich schaue aus dem Fenster, sehe ich eine große graue geschlossen Wolkendecke und in mir bewegt sich ein Gefühl von Wehmut. Es war ein wunderschönes unvergeßliches Wochenende mit Eindrücken, die mich sowohl emotional und geistig berührt und weiter geprägt haben. ich wünschte mir, daß hier in Deutschland das Leben auch so entspannt wie dort ist. Die Wolken wirken auf mich wie ein Ausdruck von grauem logischen sachlichen Alltag, der dazugehört, aber nicht immer als schön wahrgenommen wird. Wieder kommt mir in den Sinn, was mich auch bewegt: Wer denkt, etwas erreicht zu haben, hat aufgehört, etwas zu werden. Diese unvergeßliche Zeit gibt mir auch neue Kraft, um unser Anliegen für Fans Respect Fans weiter mitzugestalten.
Merci beaucoup Andrea.
Merci beaucoup Strasbourg.